“Entscheidest du dich immer frei?” –
Warum dein Kind nicht auf deine ständigen Erinnerungen reagiert
Dein Kind tut etwas, was es nicht tun soll, oder tut etwas nicht, was es tun soll.
Du redest mit deinem Kind und erklärst ihm, was daran falsch ist und was richtig wäre. Das tust du in den ersten Jahren gefühlt 1000-mal und selbst mit einem jugendlichen Kind kommst du darüber gefühlt noch 300-mal ins Gespräch .
In vielen Gesprächen mit Eltern über diese ständigen Wiederholungen habe ich immer wieder den Eindruck, dass Eltern davon ausgehen, sie müssten ihrem Kind nur streng genug sagen, dass ein Verhalten falsch ist, und das Kind ändert das Verhalten sofort.
Es klingt so, als ob das Kind sich frei entscheiden könnte, so oder so zu handeln und die Eltern sind enttäuscht und/oder wütend, wenn das Kind sich aus ihrer Sicht falsch entscheidet und damit falsch handelt.
Dazu mal ein paar Gedanken und Anregungen von mir.
Neujahrspläne
Hast du dir schon mal zu Neujahr etwas fest vorgenommen? Etwas neu einzuführen oder ein Verhalten, eine Einstellung zu verändern?
Hast du dir als Mama/Papa schon mal vorgenommen, eine Reaktion auf dein Kind oder dein Verhalten zu verändern, um zum Beispiel Situationen zu entspannen oder weil du deine spontane Reaktion für bedenklich oder falsch hältst?
Und?
Hat natürlich immer geklappt!
Du hast jedes Mal dein Verhalten sofort verändert.
Du hast jeden Neujahrsplan konsequent und mit Leichtigkeit eingehalten.
Hm… oh … doch nicht?
Nein, bestimmt nicht!
Nicht jeden und nicht jedes Mal!
Warum nicht?
Es gab bestimmt jedes Mal viele (vermeintlich) nachvollziehbare Gründe. Doch mal ehrlich und offen gesprochen: Du hast es einfach nicht geschafft.
Das geht übrigens 99% der Menschheit so. Das ist normal.
Dann denk doch bitte mal darüber nach:
Du bist eine erwachsene Person mit einem ausgereiften Gehirn, mit Jahrzehnten an Lebenserfahrung, mit der vollen Fähigkeit zur Reflexion und bewussten Handlung. Und du schaffst es nicht, dein Verhalten jedes Mal zu verändern, wenn du es dir vornimmst.
Und dein Kind?
Ist ein Kind mit einem noch lange nicht ausgereiften Gehirn (wirklich nahezu fertig ist es erst mit Anfang 20!), ohne Lebenserfahrung, mit geringer Fähigkeit, Gefühle zu steuern und zu regulieren, und ohne (bis ca. 6 Jahre) bzw. erst langsam sich entwickelnder (ab 7 Jahre) Fähigkeit zur Reflexion und bewussten Handlung.
Hmmm … dein Kind ohne deine Fähigkeiten soll also etwas einfach so können, was so gut wie allen Erwachsenen nicht so einfach können.
Denk mal darüber nach.
Du kannst deinem Kind noch so oft sagen, dass es etwas tun soll bzw. nicht tun soll. Wenn dein Kind dem folgen kann, ist das ein Glücksfall.
Meistens jedoch kann es nicht so einfach ein Verhalten verändern. Es braucht dazu Zeit, eine gewisse Reife im Gehirn und die sich dadurch entwickelnden und notwendigen Fähigkeiten.
Was kannst du tun?
Selbstverständlich braucht dein Kind immer deine Rückmeldung, wenn du mit etwas nicht einverstanden bist. So lernen Kinder im Alltag die geltenden sozialen und moralischen Regeln.
Erwarte und verlange aber bitte nicht von deinem Kind, dass es einfach so sein Verhalten verändert, nur weil du es sagst.
Hilf ihm dabei, sich wertvoll und geliebt zu fühlen und sei immer persönlich in deinen Aussagen, dann fällt der soziale Druck weg und dein Kind kann sich aufs Lernen konzentrieren.
Instinkte und Verhaltensprogramme
Wir alle (egal wie alt – also auch du) unterliegen tief verwurzelten Programmen und Instinkten, die wir mit unserem Verstand sehr schwer bis gar nicht beeinflussen können.
Und bei Kindern ist das noch viel intensiver, weil ihr Gehirn eben noch nicht komplett ausgereift ist. Erst im Laufe der Jahre entwickelt langsam sich das Verhalten eines Kindes vom reinen Instinktverhalten als Baby bis hin zu einem sowohl instinktiven als auch bewussten Verhalten als junger Erwachsener.
Zum Beispiel “Das Programm der richtigen Reihenfolge”
Fürs Laufen lernen muss dein Kind vorher wichtige Stationen durchlaufen. Ohne diese kann es nicht laufen lernen.
So muss dein Kind (unter anderem) sicher zugreifen können und es muss sich auf irgendeine andere Art fortbewegen (Krabbeln, Robben etc.) bzw. die Beinmuskeln trainieren.
Also wird dein Kind als Vorbereitung in den Wochen und Monaten bevor es sich irgendwo hochzieht in den Stand, ständig alles, was es sieht, anfassen und wenn möglich hochnehmen. Damit trainiert es die Hand-Auge-Koordination und das feste Zugreifen.
Jede andere Art der Fortbewegung und zum Beispiel das Rumhüpfen auf den Beinen der Eltern, während es noch festgehalten wird, trainiert die Beinmuskeln. Und um laufen zu können, braucht es schon ordentlich Muckis.
Deshalb ist es in dem kleinen Kind als Programm hinterlegt, was es alles in welcher Reihenfolge zu tun hat, um bestimmte Fertigkeiten zu erlernen.
Wenn diese Reihenfolge von Erwachsenen gestört wird, weil sie zum Beispiel das Rumhüpfen ständig unterbinden, braucht das Kind einfach länger, um Laufen zu lernen.
Das Prinzip der vorgegebenen Reihenfolge gilt übrigens für etliche andere Fertigkeiten deines Kindes und ist während der ganzen Kindheit gegeben.
Und weitere tief verwurzelte Programme und Instinkte kommen auch bei anderen Situationen, Phasen und Themen zum Einsatz:
- Zu Beginn der Selbstständigkeit (Trotzphase) und im Ausbau der Selbstständigkeit (Pubertät)
- beim Thema Schlafen (Alleine schlafen, einschlafen, durchschlafen etc.)
- beim Thema Essen (Lebensmittelwahl, Manieren, etc.),
- beim Thema Schule (lernen, Hausaufgaben etc.),
- bei Reaktionen auf Ansprachen der Eltern (z.B. das auf den Boden schauen, wenn das Kind bei etwas verbotenem erwischt wird)
und noch vielem mehr.
Spannend, oder?
Und dein Kind kann diese Aktionen und Reaktionen nur bedingt oder überhaupt nicht beeinflussen.
Was kannst du tun?
Wenn dein Kind nicht so handelt, wie du es willst und auch schon oft gefordert hast, dann geh bitte immer davon aus, dass dein Kind sein Bestes gibt und vielleicht ein Instinkt oder tiefverwurzeltes Programm dein Kind zu seiner Handlung bringt. Natürlich meldest du zurück, dass du nicht einverstanden bist – gleichwürdig, klar und zugewandt. Immer wieder.
Und du hast ein liebevolles Verständnis dafür, dass dein Kind deine Unterstützung braucht. Du kannst mit deinem Kind ein alternatives Verhalten entwickeln zum Beispiel.
Wie sind deine Erfahrungen und Gedanken dazu?
Schreib mir in die Kommentare. Ich freue mich darauf! ❤
Herzliche Grüße
Cornelia Lupprian
Die Elternlotsin
Hilft es dir, wenn du zu einigen dieser Instinkte und Programme etwas mehr erfährst?
Warum dein Kind
- gefühlt ohne Grund und aus dem Stand heraus so unglaublich wütend werden kann
- abends Schwierigkeiten hat alleine einzuschlafen
- dein älteres Kind auf einmal wieder angezogen und wie ein Baby versorgt werden will
- dein Kind für vieles so unglaublich lange braucht
- so vieles tut, was es tun muss, obwohl es das nicht tun soll und umgekehrt
Dann sei beim nächsten Freifahrt Webinar und Strandkorb-Plausch dabei.
Montag, 17.6. um 20 Uhr und Mittwoch 26.6. um 20 Uhr
Hier werde ich zu den oben erwähnten Programmen und Instinkten einiges erzählen.
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