Eine Frage aus dem FamilienAlltagsChaos und meine Antwort darauf.
Expertenrat: Kind ist eifersüchtig?
Eine interessante Frage aus dem FamilienAlltagsChaos
Frage:
Meine Tochter ist 12 Jahre alt geworden und hat in ihrer 5. Klasse eine Freundin gefunden. Dieses Mädchen kommt aus einem nicht so liebevoll behüteten Elternhaus und ist oft und gerne bei uns.
Ich mag sie und die Umstände tun mir leid. Wahrscheinlich spürt sie das und kommt nun hin und wieder auch zu mir und leistet mir Gesellschaft (wenn meine Tochter z. b. fernsieht und sie dies nicht mehr möchte).
Das wiederum merkt nun meine Tochter und bekommt Eifersucht.
Die sich dann auch leider schon mal so bemerkbar gemacht hat, dass sie schroff zu ihrer Freundin geworden ist. Ich dazwischen, was tun?
Ich habe meiner Tochter erklärt, dass ich ihre Gefühle verstehe, sie sich aber keine Sorgen machen soll, da sie mein Kind sei und an erster Stelle in meinem Herzen ist.
Dennoch möchte ich die Situation entschärfen, gleichzeitig dieses Mädchen aber willkommen heißen bei uns.
Hast Du einen Rat, wie ich mich neutral verhalten kann und niemanden verletze?
Meine Antwort:
Zuerst einmal vielen lieben Dank für deine Frage.
Ich finde es großartig, dass du dir Gedanken um deine Tochter und ihre Gefühle machst und diese auch anerkennst.
Verabschiede dich bitte davon, dass du dich „neutral“ verhalten kannst und damit niemanden verletzt. Das ist einfach unmöglich und auch nicht sinnvoll.
Du kannst und solltest dich klar positionieren. Das bedeutet, dass es für deine Tochter (und übrigens auch für das andere Mädchen) sehr wichtig ist, dass du zu dem stehst, was du denkst und fühlst.
Du entscheidest, für wenn du Mitgefühl hast oder nicht. Und du entscheidest, wie du das im Alltag umsetzt.
Es ist für deine Tochter auch ein schönes und wertvolles Vorbild, sich für Benachteiligte und Schwächere einzusetzen, ohne sich selbst zu verbiegen oder aufzugeben.
Deine Tochter wird mit deiner Hilfe lernen, damit umzugehen – und wer weiß, vielleicht hilft sie dir bald dabei.
Für diese Hilfe es ist wichtig, dass du in ein liebevolles, gleichwürdiges und zugewandtes Gespräch mit deiner Tochter gehst – und evtl. (falls notwendig) mit dem anderen Mädchen.
Sehen wir uns mal an, wie es vermutlich in deiner Tochter aussieht.
Das Erleben deiner Tochter
Sie lebt mit dir als ihre Mutter zusammen und weiß, dass du sie liebst.
Dann findet sie in der neuen Klasse ein Mädchen und freundet sich mit ihr an. Je nach Umständen hilft diese neue Freundin deiner Tochter auch dabei, sich in der neuen Klasse sicher und aufgehoben zu fühlen.
Dann kommt die Freundin mit nach Hause. Deine Tochter kennt dich gut und sieht, dass du die Freundin magst und Mitgefühl für sie entwickelst. Die Freundin nimmt auch direkten Kontakt zu ihrer Mutter auf, ohne dass sie (als Tochter) dabei ist. Aus zwei einzelnen Beziehungen (du und deine Tochter einerseits und deine Tochter und die Freundin andererseits) entwickelt sich ein Dreieck.
Für deine Tochter ist das bestimmt erstmal irritierend und kann dann durchaus etwas bedrohlich wirken.
Vielleicht hat sie Sorge, dass die Freundin nur noch mit ihr befreundet sein will, damit diese sich in einer anderen Familie wohl und geborgen fühlen kann. Also nicht mehr an der Person deiner Tochter interessiert ist.
Vielleicht ist aber auch tatsächlich die Sorge da, dass die Freundin ihr die Mutter wegnimmt oder sogar, dass du als Mutter das andere Kind lieber magst.
Vielleicht auch alles zusammen.
Die Gefühle deiner Tochter
Sie kann es nicht benennen, fühlt sich aber unwohl und besorgt. Denn es ist ja nichts passiert, was sie wörtlich beschreiben kann. Sondern es ist ein Gefühl – ein unbewusstes Wahrnehmen von Stimmungen.
Sie drückt ihre Not, ihre Irritation und das Unwohlsein aus, in dem sie die Person angreift, auf die sie am ehesten verzichten kann – ihre Freundin. Sie kann nicht mit ihr streiten, denn die Freundin hat ja nichts wirklich falsch gemacht. Also zeigt deine Tochter durch ihr Verhalten (indem sie immer mal wieder schroff und abweisend ist) ihren inneren Konflikt zur Freundin auf.
Kannst du das nachvollziehen?
Was kannst du nun tun?
Wunderbar hast du die Gefühle deiner Tochter ernstgenommen und ihr auch bestätigt, dass du sie verstehst.
Aber wenn du ihr nun sagst, dass sie sich keine Sorgen machen soll, hilft ihr das überhaupt nicht. Du schadest damit deiner Beziehung zu ihr.
Wie geht es dir, wenn du den letzten Satz liest?
Wie fühlt sich der Satz, der mit einem Aber beginnt, an?
Kannst du mein Kompliment im Satz davor noch spüren?
Solche Aber-Sätze löschen alles vorhergesagt einfach aus. Lass sie also bitte weg.
Ich versuche es nochmal:
Wunderbar hast du die Gefühle deiner Tochter ernstgenommen und ihr auch bestätigt, dass du sie verstehst. Du willst, dass es deiner Tochter wieder gut geht und sie sich sicher fühlt, dass sie immer für dich an erster Stelle steht.
Und das kannst du ihr beweisen, indem du ihre Gefühle nicht nur mit Worten anerkennst, sondern auch in Taten.
Ich kann leider nicht erkennen, ob du ihr dein Verständnis und den „Aber-Satz“ einfach so gesagt hast, oder ob ihr schon intensiver miteinander gesprochen habt. Das würde ich auch unbedingt empfehlen.
Führe mit ihr ein liebevolles und zugewandtes Gespräch.
Frag sie:
- Wie sie zu der Freundin steht und wie sie sich mit ihr versteht
- Was ihr an der Freundschaft zu dem Mädchen wichtig ist.
- Wie sie sich fühlt, wenn das Mädchen bei euch zu Hause ist.
- Wie es ihr geht, wenn sie sieht, dass du dich mit dem Mädchen unterhältst, wenn sie nicht dabei ist.
- Was du tun kannst, damit sie sich geliebt fühlt.
- Wähle weitere Fragen, die dich interessieren und dir die Gefühlslage deiner Tochter näherbringen
Wichtig dabei: egal, was deine Tochter antwortet, nimm es einfach an.
Ohne Rechtfertigung, ohne Kommentar und besonders ohne Widerworte.
Wenn also deine Tochter zum Beispiel sagt: „Ich glaube, du magst sie lieber als mich!“, dann widersprich nicht („Aber nein, das stimmt nicht!“). Nimm die Aussage an und frag nach – nach dem Gefühl und woraus sie das schließt.
Lass ihr die Chance, genau zu erzählen, was in ihr vorgeht.
So hast du die große Chance,
- deine Tochter kennen zu lernen.
- zu erkennen, ob du mit deiner Vermutung der Eifersucht überhaupt richtig liegst.
- zu erfahren, was du vielleicht im Umgang mit den beiden Mädchen ändern kannst, damit es für alle einfacher wird.
- deiner Tochter zu zeigen, wie wichtig und richtig sie mit ihrem Gefühl ist.
Erst ganz zum Schluss kannst du ihr deine Liebe zu ihr beschreiben und auch was sie dir bedeutet und wie wichtig sie dir ist – und das ohne Bezug zu dem anderen Mädchen, sondern einfach aus dem Herzen beschreiben, was du fühlst.
Mit so einem gleichwürdigen Gespräch fühlt sich deine Tochter in ihren Gefühlen tatsächlich angenommen und ernst genommen.
Ich wünsche dir ein wunderschönes, entspanntes und erfahrungsreiches Gespräch mit deine Tochter.
An alle meine Leserinnen/Leser:
Hilft dir das in deinem FamilienAlltagsChaos?
Kennst du so eine Situation auch?
Schreib mir in den Kommentaren. Ich freue mich darauf.
Herzliche Grüße
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