Freie Entscheidung = ein Trugschluss?

 

“Freie Entscheidung – ein Trugschluss?” –

Ein weiteres Prgramm, das dich und dein Kind unbewusst steuert

 

Unser Bewusstsein kann nur eine begrenzte Menge von Informationseinheiten aufnehmen, auf die wir unsere Aufmerksamkeit richten.

Deshalb müssen wir sowohl die Informationen von außen filtern als auch die Strukturen unserer Gedanken und daraus folgenden Handlungen irgendwie ordnen.

Dafür nutzen wir die tief in uns ablaufende Programme.

Sie sind unbewusst und laufen immer nach gleichem Schema ab.

Ein Beispiel für diese Programme bei Kindern findest du in diesem Blogartikel: “Entscheidest du dich wirklich frei?” zeigt das Programm “in vorgegebener Reihenfolge lernen”

 

Ein weiteres dieser Programme

betrifft die Vorgehensweise, wenn uns Aufgaben gestellt werden.

Wir können diese Aufgaben frei nach eigenem Ermessen ausführen oder uns an vorgegebene Anweisungen und Abläufe halten.

A) Menschen mit der Vorgehensweise „Option“ lieben es, viele Möglichkeiten zur Wahl zu haben.
Sie wollen das Ziel auf ihre eigene Art und Weise erreichen.

Sie wollen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, um zum Beispiel die bestmögliche Entscheidung treffen zu können oder alle Varianten des Benutzens herauszufinden.
Diese Varianten werden ausprobiert und oft sogar neue Möglichkeiten entdeckt.

Sie interessieren sich eher dafür, welchem Zweck etwas dient, was damit erreicht, erledigt oder erfahren werden kann.

Sie verwenden

  • Wörter wie: „Möglichkeit“ „Wahl haben“ „Regeln anders auslegen“ „eigene Entscheidung treffen“
  • Sätze wie: „Wenn Plan A nicht klappt, nehme ich Plan B oder C.“ „Ich bau das Regal einfach frei auf, warum sollte ich die Bedienungsanleitung lesen?“ „Was kann ich damit machen?“

 

B) Die Menschen, die eher nach “Verfahren” handeln, arbeiten vorgegebenes eher strikt nach Vorgaben und Regeln ab.

Sie brauchen klare Anweisungen und wählen bei Entscheidungsmöglichkeiten gerne auch die erstbeste oder am besten bewertete Möglichkeit. Kochrezepte werden z.B. strikt nach den Angaben abgearbeitet.

Sie interessieren sich eher dafür, wie etwas funktioniert, wie es aufgebaut ist oder aus was es besteht.

Verfahrensorientierte Menschen wählen

  • Worte wie: „Regeln befolgen“ „erstens …, zweitens …, drittens …“ „Anweisung befolgen“
  • Sätze wie: „Das muss so sein“ „Das arbeite ich nacheinander ab.“ „Schummeln gilt nicht.“ „Wie funktioniert das?“

 

Wichtig dabei:
  • Beide Varianten sind normal und völlig in Ordnung!
  • Das betrifft schon Kinder und natürlich Erwachsene.
  • Manchmal nutzen wir auch die jeweils andere Option, doch überwiegend nur eine davon.

 

Das Konfliktpotential

Schwierig wird es im Alltag, wenn nun zwei Menschen zusammenkommen, die jeweils eine dieser Vorgehensweisen nutzen.
Stellen wir uns das mal vor.

  • Du bist eher so frei und legst einfach los – wird schon klappen. Da gibt es immer mal wieder Fehler und du musst vielleicht von vorne anfangen.
  • Dein*e Partner*in hingegen will erstmal sehen, welche Vorgaben und welche Funktionen es gibt etc., richtet sich auch nach den Vorgaben und braucht also so seine/ihre Zeit.

Hmmm, du denkst nun, dass deine Art doch viel schneller, einfacher und hilfreicher ist und bist irritiert und vielleicht sogar verärgert, weil es bei deinem/deiner Partner*in gefühlt 10x mal so lange dauert.

Der anderen Person geht es übrigens genauso – inkl. der längeren Zeit, weil du vielleicht Handlungsschritte wiederholen oder nachholen musst.

Und das ist im Alltag immer wieder so.

    Au weija…

 

Missverständnisse und heftige Konflikte

Vielleicht kannst du dir nun vorstellen, wie es zu Missverständnissen und heftigen Konflikten kommen kann. Und das nur, weil beide ein tief verwurzeltes Programm haben, das sie steuert und ihnen nicht wirklich bewusst ist.

Dieses Programm ist ja nur ein Beispiel für etliche andere, die uns beeinflussen und steuern. Es lohnt sich sehr, sich damit einmal zu beschäftigen.

In den Familienberatungen löst es immer wieder Erstaunen und Aha-Erlebnisse aus, wenn ich auf diese Programme aufmerksam mache.

Und natürlich kann es auch sein, dass du und dein Kind jeweils eine der Möglichkeiten nutzt und ihr euch ebenfalls nicht versteht.

 

„Hausaufgaben erledigen“

Als ein Beispiel aus dem Alltag mit Kind schauen wir uns mal das leidige Thema „Hausaufgaben erledigen“ an.

🌈 Dein Kind ist eher so frei und legt einfach los.
Manchmal ohne die Beschreibung der Aufgabe richtig zu lesen oder manchmal, ohne erst groß nachzudenken.
Es macht Fehler und würde diese Fehler normalerweise einfach lassen oder ebenfalls ohne großes Nachdenken ausbessern.

Dein Kind löst die Aufgabe auch relativ frei nach eigenem Ermessen – inkl. kreativer Lösungen.

🌈 Für dich jedoch ist es wichtig, die Aufgabe genau zu lesen, kurz darüber nachzudenken, was getan werden muss, sich nur darauf zu konzentrieren und dann alles nacheinander abzuarbeiten.

Oder auch genau andersherum.

Kennst du?

Hm, dann habt ihr beide einfach unterschiedliche Programme, die euch steuern. Beide Programme sind ok und haben Vor- und Nachteile.

Doch natürlich versuchst du, dein Kind von deiner Art und Weise zu überzeugen, bzw. es zumindest dazu zu bringen, es so zu machen, wie du es als richtig ansiehst.

Doch was passiert dabei mit deinem Kind?

Es lernt nun, dass das eigene Handeln (das unbewusst gesteuert wird durch das Programm) falsch ist.

Entweder versucht es krampfhaft, sich anzupassen und leidet dann innerlich sehr darunter (Ich erinnere an die zwangsweise umgepolten Linkshänder-Kinder in früheren Jahren).

Oder es rebelliert dagegen. Es beginnt „Hausaufgaben erledigen“ mit sehr unangenehmen Erfahrungen zu kombinieren und dieses Leiden geht nach außen, in Wut oder Ablehnung.

 

Macht es gerade „klick“ bei dir?

Zwei Tipps für den Umgang damit

1. Austausch der Eltern untereinander

Es lohnt sich sehr, wenn sich die Erwachsenen in regelmäßigen Abständen immer mal wieder genau darüber austauschen und sich dadurch immer besser kennen lernen. So wird nach und nach das Verständnis füreinander größer und die Beziehung tiefer und intensiver.

Fragt euch gegenseitig zum Beispiel

“Wie gehst du in diesen oder jenen Situationen vor?”
“Ich habe bemerkt, dass du dich immer an Vorgaben halten willst. Ist dir das wichtig? Gibt es dir ein sicheres Gefühl?”
“Wenn du einfach loslegst und ich noch überlegen will, fühle ich mich überfahren und hilflos, können wir da eine Lösung finden?”
usw.

Kommt als Erwachsene ins Gespräch über die verschiedenen Strategien und seid neugierig auf die Strategien eures Kindes.

 

2. Das Programm des anderen anerkennen

Wann immer eine andere Person (egal ob Groß oder Klein) eine andere Herangehensweise zeigt, als du sie kennst, halte inne und mach dir ganz bewusst, dass dieses andere Programm in der Person genauso richtig und in Ordnung ist wie deines.

Frage nach – neugierig und gleichwürdig – und du kannst deine Programme und dein Handlungsspektrum vielleicht sogar hilfreich erweitern.

Du musst nicht mit jedem Verhalten einverstanden sein. Doch respektiere das Programm, das dein Gegenüber zu diesem Verhalten bringt.

Meist kommt in Beratungen nun in etwa dieser Satz:

„Ja, aber ich muss mein Kind doch darauf aufmerksam machen, dass es sich verrennt, zu viele unnötige Fehler macht und das ganze schneller gehen kann. Außerdem muss man sich doch an Vorgaben halten.“

Erwischt?

Ich verstehe die Sorge von Mamas und Papas.
Natürlich ist es unsere Aufgabe als Mama/Papa unserem Kind bestmögliche Hilfestellung zu geben und notwendige Strategien zu trainieren.

Und gleichzeitig ist es unsere Aufgabe, unserem Kind auch mitzugeben, dass es viele unterschiedliche Strategien gibt und mit unserem Kind gemeinsam herauszufinden, welche dieser Strategien die bestmögliche für unser Kind ist – und das ist eben nicht immer die von Mama/Papa.

Wenn du das Programm deines Kindes respektierst und es grundsätzlich so handeln lässt, wie es ihm innerlich vorgegeben ist, kann es sich darauf einlassen, deine Herangehensweise in Betracht zu ziehen und vielleicht daraus zu lernen.

Und so ganz nebenbei erweitert sich auch dein Horizont, vergrößert dein Spektrum an Handlungsmöglichkeiten und du wirst noch ein Stückchen freier.

Cool, oder?

Wie sind deine Erfahrungen und Gedanken dazu?
Schreib mir in die Kommentare. Ich freue mich darauf!

Herzliche Grüße

Cornelia Lupprian
Die Elternlotsin
Cornelia Lupprian
Die Elternlotsin

Ich lotse dich durch dein FamilienAlltagsChaos

Weg von Unsicherheit, Überforderung und Frust

Hin zu Gleichwürdigkeit, Klarheit und Gelassenheit

Mein großer Herzenswunsch ist es, Familien zu helfen, wieder Lebensfreude und Leichtigkeit im Alltag zu erleben.
Mein Wissen aus den Aus- und Weiterbildungen wird ergänzt durch viele Jahre Erfahrung als Familienberaterin und Mutter.

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