Die Wut deiner Kinder und deine Unsicherheit
Warum du mit deiner Unsicherheit die Aggression deiner Kinder noch förderst.
Teil 1 der Reihe zum Kinderstreit
Eine Geschichte aus dem Alltag von Lina
Lina sitzt an ihrem Schreibtisch und will gerade mit einer Aufgabe anfangen, als laute, aggressive und beleidigende Wortfetzen durchs Haus wehen. Sie hört, dass ihre beiden großen Kinder streiten – wie so oft in letzter Zeit.
Sie kann sich gut vorstellen, wie die beiden voreinander stehen, mit wutentbrannter Miene und erhobenen Armen, bereit den jeweils anderen zu schubsen oder zu schlagen.
Der 11-jährige Jonas war bis vor ca. 2 Jahren so gut wie immer überlegen, weil seine jüngere Schwester Rike (7) ihm einfach kein richtiges Kontra geben konnte. Inzwischen werden die Streitigkeiten nahezu ebenbürtig ausgetragen, was sie aber auch immer aggressiver und heftiger werden lassen.
Lina überlegt: „Geh ich hin und greife ein?“
In dieser Reihe gehe ich auf 3 wichtige Aspekte zum Kinderstreit ein:
Aspekt 1 – Warum du mit deiner Unsicherheit die Aggression deiner Kinder noch förderst
-> mehr dazu liest du unten in diesem Blogartikel
– > mehr dazu im Blogartikel Teil 2: Deine falsche Frage
-> erkläre ich dir in Teil 3 dieser Reihe: Beschützen = Schaden?
Was würdest du an Stelle von Lina tun und wie geht es dir bei einem Streit deiner Kinder?
▶ Hingehen, eingreifen, den Streit schlichten, für eine angemessene Lösung sorgen und versuchen, den Kindern zu zeigen, dass ein Konflikt auch freundlich und harmonisch gelöst werden kann?
Das tun sehr viele Erwachsene – Lina hat das auch getan, bevor wir gemeinsam darüber beraten haben.
▶ Oder gehst du hin, trennst die streitenden Kinder mit dem Hinweis, dass sie sich bitte friedlich einigen sollen?
▶ Oder bleibst du außen vor und wartest ab?
Egal, was du letztendlich tust, bist du anfangs und zwischendurch immer mal wieder unsicher, was du wann und wie tun solltest?
Unsicher, weil du viele verschiedene Wünsche und Bedürfnisse gleichzeitig leben willst.
Du willst, …
- … dass deine Kinder lernen, einen Konflikt friedlich und im Gespräch zu lösen.
- … ihnen zeigen, dass es immer eine Lösung zu jedem Konflikt gibt, die für alle Beteiligten annehmbar ist.
- … dafür sorgen, dass deine Kinder liebevoll miteinander umgehen, weil sie sich ja auch liebhaben.
- … dass Ruhe herrscht im Haus
- … keine Schlägereien deiner Kinder erleben müssen
Und gleichzeitig willst du aber auch, …
- … dass deine Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen können
- … lernen, sich zu behaupten
- … die Erziehungstipps umsetzen, die du immer wieder hörst; zum Beispiel, dass deine Kinder streiten sollen
- … nicht immer die Böse sein, weil du deinen Kindern den Streitgegenstand wegnimmst
- … nicht ständig selbst laut werden und eben nicht mehr brüllend dazwischengehen
Du bist unsicher, was richtig oder falsch ist.
❓ Was ist noch normal ❓
❓ Was tun, wenn es körperlich wird ❓
❓ Was tun, wenn es so oft passiert ❓
❓ Woher kommt diese Aggression nur ❓
❓ Warum lernen die Kinder nicht, dass es auch anders geht ❓
Weder deine persönlichen Erfahrungen noch die Tipps von anderen oder aus Erziehungsratgebern helfen dir dabei weiter.
Vielleicht startest du mit einer gewissen Sicherheit in die Aktion „Eingreifen und schlichten“.
Doch sobald deine Kinder dann zum Beispiel auf dich losgehen, sich komplett deiner Lösung verweigern oder überhaupt nicht aufhören können zu streiten, weißt du nicht mehr weiter.
Deine innere Unsicherheit trägst du mit deiner Körperhaltung, deiner Stimme und deinem Verhalten ganz deutlich nach außen.
Deine Kinder spüren deine Unsicherheit.
Der Streit aus Sicht der Kinder
Deine Kinder befinden sich in einem emotionalen Ausnahmezustand.
Ein Gefühl von Wut, Frust, Enttäuschung oder ähnlichem ist ganz intensiv im ganzen Körper spürbar.
Der Verstand ist vorübergehend ausgeschaltet – genau wie bei den Erwachsenen übrigens in einer solchen Gefühlslage.
Gerade wenn es körperlich wird, spüren die meisten Kinder sehr deutlich, dass es eigentlich der falsche Weg ist, einer anderen Person weh zu tun.
Doch ein Kind kann in dem Moment einfach nicht anders. Kinder lernen ja erst noch, ihre Gefühle zu steuern und ihre Impulse auch mal zu unterdrücken.
Und Lernen hat immer auch Unsicherheit im Gepäck.
Deine Kinder spüren, dass du mit ihrem Verhalten nicht einverstanden bist. Doch sie können es nicht einfach ändern.
Deine Kinder spüren und bemerken deine Unsicherheit. Das irritiert.
Dieser innere Konflikt schürt ihre eigene Wut und den Frust – auf die Situation, auf ihr eigenes Erleben und auf dich.
Eigentlich bräuchten sie jetzt eine erwachsene Person, die genau weiß, wann sie wie eingreift und sie, falls notwendig gleichwürdig und liebevoll durch den Streit begleitet.
Also eine Person, die Sicherheit und Klarheit ausstrahlt, damit sie selbst auch sicher und klar werden können.
Welche Gefühle kommen hoch, wenn du merkst, dass deine Kinder streiten?
Lassen die Streitigkeiten dich auch wütend und frustriert werden?
Wirst du auch laut und schimpfst mit den Kindern?
Kannst du dir vorstellen, welche Auswirkung das auf deine Kinder hat?
Du wirkst auf deine Kinder unzufrieden, unsicher, wütend und aggressiv.
Was lernt dein Kind daraus?
„Wenn jemand unsicher ist, dann ist es ok,
wenn diese Person laut und aggressiv wird und schimpft.
Doch halt!
Das gilt nur für Mama und Papa.
Ich darf das nicht.
Wenn ich das mache, ist das falsch!
Wie ungerecht!“
Die Irritation und der Wutpegel in deinem Kind steigt.
Je nach Kind gibt es zwei Richtungen, in die es jetzt weitergehen kann:
1. Das Kind resigniert und passt sich an
So verliert es nach und nach den Selbsterhaltungstrieb und lässt sich immer mehr gefallen von anderen.
Willst du das?
2. Das Kind wird noch unsicherer und steigert sich immer weiter in den Frust und die Wut hinein.
Du kannst es kaum noch beruhigen
Kennst du das?
Es ist deine Aufgabe aus diesem Teufelskreis auszusteigen.
Sorge für deine innere Sicherheit und Klarheit, wann du warum und wie mit den Streitigkeiten umgehen willst.
Was hat Lina nun getan?
Sie hat genau überlegt, ob und wann sie eingreifen soll.
Geholfen hat ihr dabei, dass wir in unseren Gesprächen sehr genau hingesehen haben und sie für sich einen persönlichen Routenplan für alle Möglichkeiten festgelegt hat.
So weiß sie jederzeit, was ihr wichtig ist und wie sie agieren und reagieren kann.
Diese Klarheit und innere Sicherheit hilft ihr schon eine Weile, mit den Streitigkeiten Ihrer Kinder gleichwürdig und sicher umzugehen.
Zwei weitere Aspekte erfährst du in den anderen Blogartikeln
Aspekt 2 – Wie deine falsche Frage das Streiten deiner Kinder befeuert
– > schau mal in diesem Blogartikel: Falsche Frage = Betrübte Beziehung
Aspekt 3 – Warum du bei einem Streit deiner Kinder auf das Beschützen verzichten solltest:
-> erkläre ich dir in diesem Blogartikel: Beschützen = Schaden
Herzliche Grüße
Cornelia Lupprian
Die Elternlotsin
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