Eine Frage aus dem FamilienAlltagsChaos und meine Antwort darauf
Loben – Ja? Nein? Wie motivieren?
Eine Frage von Tami zum Thema Loben:
Ist Loben nicht auch eine Form von Belohnung und dadurch nicht sinnvoll, weil das Kind dadurch seine intrinsische Motivation verliert?
Erläuterung: ich empfinde mich selbst als extrinsisch motiviert und möchte, dass mein Kind (17 Monate) seine intrinsische Motivation behält. Deshalb versuche ich, ohne Belohnung und Strafen zu erziehen. Beim Thema „Loben“ bin ich aber zwiespältig. Wenn mein Sohn etwas Neues lernt oder etwas schafft, ist mein erster Reflex, ihn zu loben, weil ich selbst so aufgewachsen bin.
Ich fürchte aber, dass er irgendwann seine intrinsische Motivation verliert und Dinge nur noch tut, um ein Lob zu bekommen statt, weil er sie selbst sinnvoll oder schön findet.
Ich habe statt des Lobens die Strategie ausprobiert, meine Freude zu zeigen in den Situationen, in denen ich ihn eigentlich gelobt hätte. Aber das fühlt sich erstens künstlich und unauthentisch an und zweitens besteht hier ja eventuell genauso die Gefahr, dass er irgendwann Dinge nur noch tut, weil ich mich dann freue (=gleicher unerwünschter Effekt wie beim Loben). Daraus ergeben sich für mich ein paar weitere, der Hauptfrage untergeordneten Fragen:
❓ Welche Alternativen kann man zum Loben wählen, damit das Kind sich gesehen und gewertschätzt fühlt?
❓ Wie vermittelt man einem Kind, dass es gerade etwas gemacht hat, was richtig oder gut war und was es deshalb gerne wiederholen darf (z.B. dass er sich getraut hat, alleine zu rutschen oder dass er z.B. seinen Löffel selbst in die Spülmaschine geräumt hat), ohne es zu loben?
❓ Andersrum betrachtet: wenn er etwas tut, das ich nicht gut finde und wovor ich ihn mehrfach „gewarnt“ habe (z.B. Achtung, wenn Du die Schüssel schief hältst, läuft das ganze Müsli auf den Boden“), darf ich dann meine echte Emotion (z.B. Ärger, weil ich dann unnötig putzen muss) zeigen oder geht das dann schon in Richtung „emotionale Erpressung“?
❓ Andere Kinder aus meinem Umfeld werden relativ viel gelobt und auch mein Sohn wird von anderen Leuten gelobt: fragt er sich dann nicht irgendwann, warum ich die einzige Person bin, die ihn nicht lobt?
❓ Was ist außerdem, wenn sich Lob und Anerkennung irgendwann als seine Sprache der Liebe herausstellt? Dann sollte ich ihn ja schon loben, damit er sich geliebt fühlt, oder?
❓ Die nächste Frage klingt sehr manipulativ und ist mir unangenehm, aber ich stelle sie trotzdem: wie schaffe ich es, ohne zu loben, dass mein Sohn für „sinnvolle“ Dinge / Lebensweg motiviert ist und sich auf lange Sicht selbst sein Leben finanzieren kann? Ich möchte ihm also Führung geben, ohne zu sehr zu manipulieren (=ihm seine Autonomie weitestgehend lassen)Hintergrund der Frage: Ich möchte zwar, dass mein Sohn intrinsisch motiviert bleibt, aber ich möchte auch, dass er etwas tut, womit er für seinen Lebensunterhalt selbst aufkommen kann. Solange er das kann, ist es mir auch egal, was genau er tut, solange er selbst das für gut und passend hält. Ich befinde mich gefühlt in einem Paradoxon zwischen „ich möchte ihn nicht kontrollieren/manipulieren und ihn seinen eigenen Weg finden lassen“ und „ich möchte ihn in sofern kontrollieren/manipulieren, dass er auch einen Weg einschlägt, der ihm ein finanziell von mir unabhängiges Leben ermöglicht“.
Meine Antwort:
Liebe Tami,
vielen herzlichen Dank für deine großartige, ausführliche Frage und deine Erlaubnis, diese zusammen mit meiner Antwort in einem Blogartikel zu veröffentlichen.
Ich finde es wertvoll und wunderbar, dass du für dich selbst festgestellt hast, wie wichtig intrinsische Motivation ist und wie sehr sie dir selbst fehlt.
Zur Erklärung:
Intrinsisch bedeutet „aus sich heraus“ – intrinsische Motivation ist der Begriff dafür, dass jemand unabhängig von Forderungen oder Erwartungen von außen aus sich selbst heraus motiviert ist.
Extrinsisch bedeutet „von außen her“ – extrinsische Motivation ist immer auf eine Anregung und weiterführende Verfolgung von außen angewiesen
Das Thema Loben ist deswegen ein spannendes Thema, weil es die Unterschiede in den verschiedenen Erziehungsstilen so treffend darstellt – wie du ja auch selbst deine Erfahrung beschreibst.
Viel früher wurde mit viel Strafen, Schimpfen und Demütigungen erzogen (=die Kinder für das richtige Benehmen gedrillt).
Dann entwickelte sich so nach und nach die Gewohnheit, Kinder stattdessen für gutes Verhalten zu loben.
Doch machte es die Sache wirklich besser?
Wir sehen uns mal den Begriff „Loben“ genauer an.
„Loben“ so wie ich es in meinen Texten verwende, bedeutet, dass
- die Taten des anderen und die Ergebnisse inkl. einer Wertung angesprochen und belohnt werden – oft sogar so ganz automatisch und wie nebenbei.
„Das hast du gut gemacht!“ „Das ist dir wirklich gut gelungen!“ „Das ist ein schönes Bild.“ sind so Beispielsätze.
Die Betonung liegt hier auf dem Wort „Taten“, es bezieht sich also immer auf die Handlung und damit auch auf das Ergebnis der Handlung. Der Mensch dahinter mit seiner Motivation, seinen Bemühungen und seinen Gefühlen wird nicht beachtet. - gelobt wird, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. Das ist versteckt manipulativ auf eine destruktive und zwingende Art. Dazu später mehr.
Aspekt 1 Warum loben Eltern?
Was willst du mit dem Loben deines Sohnes erreichen?
Vermutlich genau das, was du in deinen Beispielen genannt hast: dass dein Sohn das „Richtige“ tut bzw. das Falsche lässt. Du erwartest, dass er das gleich oder später lernt und im Alltag anwendet: Löffel wegräumen, Schüssel gerade halten, mutig die Rutsche runterrutschen etc.
Hm, ist absolute Manipulation und letztlich genau das gleiche, als ob du bestrafst, oder?
Jede (wirklich jede) Interaktion mit deinem Kind ist eine Manipulation im reinsten Sinne. Das geht gar nicht anders, da Kinder immer auf den begleitenden Erwachsenen reagieren.
Das habe ich schon mal in einem anderen Expertenrat deutlich dargestellt.
Expertenrat: Zugang zum Kind – etwas weiter runter scrollen
Doch es kommt darauf an, ob die Manipulation a) versteckt oder offen und b) ob sie destruktiv, zwingend oder begleitend, zugewandt ist.
a) Ein Lob ist versteckte Manipulation, weil du versuchst, deine Erwartung an eine Verhaltensänderung in vermeintlich positive Worte zu kleiden und damit arbeitest, dass dein Sohn alles versucht und sich anstrengt, um dir zu gefallen. Außerdem erwartest du, dass ein Kind in der Lage ist, mit deinen vermeintlich positiven Worten zu verknüpfen, dass er das gegengleiche Verhalten in einer anderen Situation lassen soll.
b) Ein Lob ist zwingend und destruktiv, weil du voller Erwartungen bist, dass dein Sohn sein Verhalten anpasst. Du lobst nicht, um seine Bemühungen oder seinen Fortschritt zu sehen und anzuerkennen. Sondern du lobst, weil du willst, dass er dieses gelobte Verhalten weiterhin zeigt und das gegenteilige Verhalten lässt. Und wenn er das nicht macht, dann bist du enttäuscht.
Bei einer echten Anerkennung siehst du ausschließlich sein Bemühen, seine Fortschritte, sein Verhalten in exakt dieser Situation – ohne Gedanken oder Erwartungen an die Zukunft oder an eine Verhaltensveränderung deines Sohnes. Er kann sein Verhalten anpassen oder auch nicht und selbst entscheiden, ob er mit den Konsequenzen seines Tuns leben will.
Er kann seinen eigenen Weg finden.
Aspekt 2 Was passiert mit einem Kind, das ständig für viele Handlungen und deren Ergebnis gelobt wird?
Teilweise habe ich sogar erlebt, dass Kinder für absolute Selbstverständlichkeiten, wie das richtige Halten eines Gegenstandes etc. gelobt werden.
Spüren wir da mal rein:
Stell dir mal vor, der erwachsene Mensch an deiner Seite lobt dich jeden Tag sehr oft. Du hörst Sätze wie, „Du hast das Geschirr sehr platzsparend in den Spüler geräumt“ „Du hast die Wäsche genau passend zusammengelegt, das ist toll.“ usw. Vielleicht sogar Sätze wie „Du hast dieses Mal das Geschirr sehr platzsparend in den Spüler geräumt!“ mit Betonung auf „dieses Mal“ und du weißt genau, was damit gemeint ist. Nämlich eigentlich versteckte Kritik zu all den anderen Malen.
Fühlt sich komisch an? Manipulativ? Unecht?
Und das jeden Tag und sehr häufig. Du wirst bestimmt recht schnell etwas sagen und das unterbinden wollen.
Und dein Kind ist ja sogar noch auf dich und deine Rückmeldung angewiesen. Es lernt durch sie, sich im sozialen Kontext zurechtzufinden. Also hört es auf dich und nimmt deine Rückmeldungen uneingeschränkt an.
Es lernt, dass es alles „richtig“ machen muss, damit es gelobt wird und der Erwachsene zufrieden ist.
Es verlernt, in sich selbst hineinzuspüren, und seine eigene Wertigkeit aufzubauen (intrinsisch zu bleiben).
Ich kann also deine Ausgangsfrage mit einem klaren „Ja“ beantworten.
Loben – also die Wertung von Taten und deren Ergebnis verknüpft mit der Erwartung des Erwachsenen, dass das Kind dann lernt, sich „richtig“ zu verhalten, ist versteckte, destruktive und zerstörerische Manipulation.
Ups, klingt jetzt etwas heftig?
Hm, ist so und ist leider immer noch weit verbreitet.
Was kannst du also stattdessen tun?
Die Zauberworte heißen Wahrnehmen und Anerkennen.
Wahrnehmen bedeutet hier, dass du das Verhalten deines Sohnes einfach und schlicht wahrnimmst.
Anerkennen bedeutet hier, dass du bei einem Verhalten deines Sohnes, dass dir nicht gefällt, auch die Motivation dahinter, seine Gefühle und seine Bemühungen siehst und in deine Rückmeldung mit einfließen lässt.
An deinen Beispielen
Dein Sohn hat sich das 1. Mal getraut, alleine zu rutschen.
Er freut sich, ist stolz, aufgeregt und glücklich. Er möchte, dass du an seinem Triumpf teilhaben kannst und ihn siehst.
Lob: „Das hast du gut gemacht, bravo.“ – nur Handlung und Ergebnis. 😢
Wenn du lobst, zielt es darauf ab, ihn anzuspornen, sich immer wieder etwas zu trauen und mutig zu sein. Sein Verhalten wird in den Vordergrund gestellt. In der Zukunft wird er versuchen, mutig zu sein, WEIL er DIR gefallen und gelobt werden will.
Wahrnehmung: „Wow, du bist gerade alleine gerutscht. Ich sehe dich.“ und Anerkennung: „Du siehst aufgeregt und glücklich aus.“ und dann du freust dich mit ihm zusammen. Was für ein magischer Moment für eure Beziehung und sein Selbstwertgefühl. 😊
Mit dieser echten Anerkennung der jetzigen Situation liegt sein Fokus auf seinen persönlichen Empfindungen und an der Verbindung zu dir. In der Zukunft wird er versuchen, mutig zu sein, WEIL es IHM Freude gemacht hat, mutig zu sein.
Dein Sohn bringt seinen Löffel in die Spülmaschine.
Kinder wollen grundsätzlich immer sehr gerne etwas für die Gemeinschaft tun. Wie du selbst schon festgestellt hast, tut dein Sohn das von sich aus (intrinsisch). Wichtig ist für ihn, dass du ihn und seine Bemühung siehst.
Lob: „Das hast du gut gemacht, bravo.“ – nur Handlung und Ergebnis. 😢
Wahrnehmung:
„Du hast deinen Löffel in die Spülmaschine gebracht.“ Am besten mit einem freundlichen Lächeln garniert. Und, falls es wirklich notwendig ist, obwohl die Wahrnehmung meist schon reicht: „Oh, das hilft mir. Vielen Dank.“ als Anerkennung. 😊
Dein Sohn hält die Schüssel schräg und Müsli läuft raus
Tadel/Kritik also Gegenstück zum Lob:
„Du hältst die Schüssel doch schräg, obwohl ich dir gesagt habe, dass du sie gerade halten sollst. Kannst du nicht besser aufpassen, jetzt habe ich so viel mehr Arbeit.“ 😢
Wahrnehmung:
„Ups, die Schüssel gerade zu halten, ist gar nicht so einfach. Jetzt ist etwas Müsli ausgelaufen.“ Und Anerkennung: „Du hast dir viel Mühe gegeben und es klappt trotzdem nicht. Lass uns mal sehen, was wir machen können, damit es für dich einfacher wird.“
Und dann überlegst du, wie du ihm gleichwürdig helfen kannst. Also etwas an der Situation verändern, damit er das üben kann. Zum Beispiel Müsli und Schüssel getrennt an den Tisch tragen und dort erst füllen etc. oder weniger einfüllen oder oder. 😊
Rückmeldungen und Emotionen
Freude
Du schreibst, dass du die Strategie angewendet hast, bevorzugt deine Freude zu zeigen und dass sich das unecht angefühlt hat. Ich weiß nicht so genau, wie und in welchen Situationen du deine Freude zeigen wolltest. Vielleicht lag es auch daran, dass es für dich eine Strategie war, um die Manipulation erträglicher sein zu lassen.
Dein Kind spürt es genau, wenn du dich unecht verhältst.
Gib ihm eine Rückmeldung, dass du ihn siehst, genau auf deine persönliche Art. Das kann auch nur ein Lächeln sein oder ein „Ja, ich sehe dich.“.
Deine Freude offen zu zeigen ist ebenfalls in den Situationen sinnvoll und hilfreich, in denen dein Sohn zum Beispiel etwas für dich persönlich tut – ein Bild malt oder dir etwas aus der Küche bringt oder ähnliches.
Lob:
„Da hast du aber ein schönes Bild gemalt.“ – nur Handlung und Ergebnis. 😢
Wahrnehmung:
„Oh, dieses Bild ist für mich? Das schenkst du mir? Vielen Dank!“ und Anerkennung: „Wow, das Bild gefällt mir gut, es ist so schön bunt. Vielen Dank! Magst du mir etwas darüber erzählen?“ Falls dein Kind schon reden kann.
Emotionen deines Kindes
Sobald dein Sohnälter ist, kannst du in allen Situationen, in denen dein Sohn etwas hergestellt oder von anderen Personen (Kindern oder Erwachsenen) bewertet oder geprüft wird, nachfragen, was er selbst davon hält und welche Gefühle er dazu hat.
Als Beispiel
Dein Sohn bekommt in der Schule einen Test zurück. Völlig egal, welche Note da steht, du lobst nicht und kritisierst nicht. Sondern du fragst ihn: „Bist du selbst mit deiner Leistung zufrieden? Bist du mit deiner Vorbereitung auf den Test zufrieden oder möchtest du etwas ändern?“
Diese Art der Rückfragen kannst du schon im Kindergarten beginnen. Wenn sein Sohn etwas bastelt, malt oder gestaltet, frag immer nach seiner eigenen Meinung. Die ist 100.000-mal wichtiger als jede Rückmeldung von außen.
Natürlich kannst du ihm deine Meinung sagen, wenn sie für ihn wichtig ist – nachdem er selbst seine eigene Bewertung gefunden hat.
Gehen gerade die Alarmsignale los, die Gefahr melden, weil dein Sohn dann vielleicht mit schlechten Noten zufrieden ist?
Verstehe ich!
Jede echte Anerkennung und die Möglichkeit, seine eigene Einschätzung wahrzunehmen, geben ihm viel mehr als jede wertende Rückmeldung von dir. Er baut so sein eigenes Wertesystem auf, dass sich an deinem orientiert.
Selbstverständlich verwendest du immer deine eigenen persönlichen Worte. Die Beispiele sollen nur die Richtung der Äußerungen aufzeigen.
Genervt/wütend sein
Du bist genervt, weil dein Sohn (mal wieder) Milch verschüttet hat, obwohl du ihm gesagt hast, dass er die Schüssel gerade halten sollst.
Zu einem eigenen Gefühl zu stehen ist immer sinnvoll, denn es ist da und dein Sohn sieht es dir an.
Du kannst dich noch so sehr bemühen, es zu verstecken.
Wenn du genervt bist, sieht er das.
Wichtig ist, dass du deinen Sohn nicht dafür verantwortlich machst, sondern die Verantwortung selbst übernimmst.
Du bist nicht genervt, weil dein Sohn etwas getan hat.
DU bist genervt, weil du dich entschieden hast, genervt auf die Handlung deines Sohnes zu reagieren.
Genervt sein ist keine zwingende Konsequenz auf die Handlung deines Sohnes. Denn du könntest ja auch völlig entspannt reagieren. Also hast du dich selbst dafür entschieden, genervt zu sein und daraus folgt, es ist deine Verantwortung.
Und solange du die Verantwortung dafür übernimmst und nicht erwartest, dass dein Sohn sich schuldig fühlt, ist es völlig in Ordnung, genervt zu sein.
Im Klartext:
Dein Sohn verschüttet Milch. Du hast Arbeit.
Das passiert. Er macht es nicht mit Absicht.
Du entscheidest dich in deinem Inneren, genervt davon zu sein. Dann steh dazu: „Ich bin überfordert, fühle mich nicht gesehen, ernstgenommen etc.“
Du darfst das zeigen und machst dabei bitte auf keinen Fall deinen Sohn dafür schuldig.
Noch ein paar Gedanken zu deinen Teil-Fragen
❓ Andere Kinder aus meinem Umfeld werden relativ viel gelobt und auch mein Sohn wird von anderen Leuten gelobt: fragt er sich dann nicht irgendwann, warum ich die einzige Person bin, die ihn nicht lobt?
Nach vielen Jahren der Familienberatung und Aus- und Weiterbildungen von pädagogischen Fachkräften kann ich dir mit Gewissheit sagen, dass es große Unterschiede gibt zwischen Kindern, die nur Lob kennen und denen, die die Wahrnehmung und Anerkennung erleben.
Erzieherinnen und Lehrkräfte können auf Grund ihrer vielfältigen Erfahrungen einiges darüber erzählen.
Es gibt tatsächlich Kinder, die sind existenziell abhängig vom ständigen Lob eines Erwachsenen, weil sie tatsächlich kein eigenes Wertesystem mehr in sich spüren. Sie kommen immer wieder zu den Erwachsenen gelaufen und suchen ständig nach Bestätigung. Falls die nicht oder nicht ausreichend kommt, sind sie traurig bis hin zu panisch vor Angst, nicht gut genug zu sein.
Das sind auch die Kinder, die in der Schule ihren Wert als Mensch nur über gute Noten definieren.
Einige tun dafür alles, inkl. Lügen und Betrügen.
Andere gehen kaputt, weil sie daran scheitern, dass sie die guten Noten nicht erreichen trotz größter Bemühungen.
Kinder bevorzugen intuitiv immer die Personen, die ihnen Wahrnehmung und Anerkennung schenken, statt nur so automatisch und nebenbei die Tat zu loben. Denn loben tut nur für einen kurzen Augenblick gut. Sich wahrgenommen und angenommen zu fühlen und Wertschätzung zu erleben, nährt das Herz und die Seele auf Dauer.
Sei also ganz beruhigt. Selbst wenn dein Sohn von außen viel gelobt wird, wird er deine Wertschätzung immer vorziehen.
Mehr dazu in diesem Blogartikel:
Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl – zusammen die Basis zum Glück deines Kindes.
❓ Was ist außerdem, wenn sich Lob und Anerkennung irgendwann als seine Sprache der Liebe herausstellt? Dann sollte ich ihn ja schon loben, damit er sich geliebt fühlt, oder?
Meine Antwort auf diese Frage ergibt sich aus meinen ganzen Ausführungen.
Für mich persönlich kann Lob niemals eine Sprache der echten, zugewandten Liebe sein!
Nicht in dem Sinne, den wir hier nutzen. Lob ist destruktive und zwingende Manipulation, das hat für mich niemals etwas mit Liebe zu tun. Wer Lob braucht, um sich geliebt zu fühlen, hat wahrscheinlich in der Kindheit viel Lob für Leistung erfahren und kein eigenes Wertesystem mehr.
Anerkennung hat viel mit Liebe zu tun. Also schenke ihm so viel Anerkennung wie möglich.
Zitat von Jesper Juul:
„Lob kann abhängig machen, vor allem, wenn Liebeserklärungen in Lob verpackt werden.“
❓ Die nächste Frage klingt sehr manipulativ und ist mir unangenehm, aber ich stelle sie trotzdem: wie schaffe ich es, ohne zu loben, dass mein Sohn für „sinnvolle“ Dinge / Lebensweg motiviert ist und sich auf lange Sicht selbst sein Leben finanzieren kann?
Auch für deine letzte Teilfrage kann ich dich beruhigen.
Wenn du weiter auf deinem großartigen Weg bleibst, deinen Sohn gleichwürdig und zugewandt zu begleiten und immer wieder auch deine Anteile und Handlungen zu hinterfragen, dann wird dein Sohn schon seinen Platz finden und seinen eigenen Weg gehen.
Und der Weg wird für ihn als Erwachsener umso leichter sein, je mehr Wahrnehmung und Anerkennung er von dir bekommen hat.
Denn so sorgst du dafür, dass sein Selbstwertgefühl groß und gut gefüllt sein wird.
Und das ist die beste Voraussetzung für ein erfülltes und glückliches Leben.
Herzliche Grüße
Cornelia Lupprian
Die Elternlotsin
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