Expertenrat: Zugang zum Kind

 

Eine Frage aus dem FamilienAlltagsChaos und meine Antwort darauf.

“Mein Sohn blockt ab!” –

Welches Bedürfnis steckt dahinter, wenn Kinder Tröstversuche abblocken?

 

 

 

 

Frage von Theresa:

Ich habe eine Frage, die mir im Zuge meiner Überlegungen zu unbewussten Erwartungen gekommen ist.

Ich habe die Erwartung, dass ich immer einen Zugang zu meinem Sohn (2 Jahre) finde und er mich nicht abblockt, wenn ich ihm helfen und auf seine Bedürfnisse eingehen möchte. Allerdings v.a. in Situationen, in denen er abblockt, weil er grade nicht tun will, was ich möchte (z.B. Zähneputzen o.ä.).

 

Ich möchte ihn also in seinen Bedürfnissen sehen und abholen (z.B. Spielen), damit ich sie erfüllen kann (kurz spielen, danach ins Bad oder spielerisch Zähneputzen), um so zu meinem Ziel zu kommen. Ist das Manipulation? Bisher habe ich es immer als Win-Win angesehen.

Kann ein Bedürfnis “sich verweigern” sein?

 

Beim Bedürfnis “Spielen” (o.ä.) haben wir nämlich bisher immer eine gute Lösung gefunden. Seit kurzer Zeit komme ich manchmal nicht mehr so gut an ihn und seine Bedürfnisse ran, dann ruft er nur laut “nein” und kann nicht kommunizieren, was er eigentlich möchte (wie bisher).

Aus diesen Situationen kommt mein komisches Gefühl, ob ich ihn manipuliere.

 

Meine Antwort:

Liebe Theresa, vielen lieben Dank für deine sehr interessante Frage und die Erlaubnis, diese und meine Antwort zu veröffentlichen.

Ich finde es wirklich großartig, dass du dich bemühst, auf deinen Sohn einzugehen, ihn wirklich wahrzunehmen und auch deinen Anteil (unbewusste Erwartungen) reflektierst. Das ist eine der wichtigsten Grundlagen für eine entspannte und tiefe Beziehung zu deinem Sohn.

Du hast dir vorgenommen, beziehungsorientiert und zugewandt zu erziehen, gibst dir wirklich Mühe, immer auf deinen Sohn einzugehen und ihm gerecht zu werden.

Und du hast da eine unbewusste Erwartung entwickelt, dass dieses Vorgehen für einen stetigen Zugang zu deinem Sohn führt. Die Erwartung, dass durch deine Einstellung und dein Handeln alles gut läuft und ihr im Alltag richtig gut klarkommt.

 

Das verstehe ich so gut. Denn in diese Falle bin ich auch getappt.

 

Du meinst es gut und bist davon überzeugt, dass deine Einstellung und dein Handeln völlig in Ordnung sind.

Dann stellst du auf einmal fest, dass das Ergebnis nicht mit deiner Erwartung übereinstimmt.
Es entsteht bei dir der Eindruck, dass eben nicht alles gut läuft und dein Sohn dich sogar abblockt. Du bemerkst, dass er gefühlt plötzlich nicht mehr so kommunizieren kann/will wie vorher.

Wow, das irritiert und lässt dich zweifeln und bringt dich ins Nachdenken.

Wie großartig!

 

Es ist völlig normal, sehr hilfreich und wichtig, dass wir als Eltern immer mal wieder ins Nachdenken und Zweifeln kommen, ob unser Handeln noch angemessen ist – am besten für den Rest unseres Lebens.

Auch mir persönlich geht das schon immer so. Denn dieses Nachdenken hilft dabei, nicht etwas als selbstverständlich anzunehmen, sondern sich neuen Begebenheiten (Weiterentwicklung des Kindes, neue Rahmenbedingung etc.) anzupassen.

Weitere Gedanken zu deiner Frage und persönlichen Situation

Es ist völlig normal, dass dein Sohn deine Versuche, mit ihm zu kommunizieren, abblockt.

Dazu 2 Aspekte:

 

1. Aspekt: Altersangepasstes Verhalten

Dein Sohn entwickelt mit 2 Jahren die Fähigkeit, sich als eigenständiges Wesen anzusehen. Er nimmt jetzt viel mehr bewusst wahr und das kann schon eine gewisse Unsicherheit hervorrufen. Jeder Mensch geht anders mit einer Unsicherheit um. Es gibt Kinder, die werden total aggressiv, andere weinen viel mehr und andere (wie dein Sohn) blocken die Tröstversuche aktiv ab, weil sie sich erstmal innerlich sortieren müssen.

Dafür braucht er Zeit – und die nimmt er sich, in dem er dir ganz deutlich sein Bedürfnis aufzeigt:

„Mama, in mir ist momentan so viel los, ich kann nichts mehr von außen aufnehmen. Ich muss das sortieren und brauche dich jetzt nur als Rettungsring, der mich hält. Ich brauche jetzt sofort noch keine Lösung, sondern will erst einmal mit meinen Gefühlen in Kontakt und klarkommen.“

Er sagt zwar verbal „nein“ zu dir, aber dadurch auch klar und deutlich „ja“ zu sich.
Wie wunderbar.

Also hat er nicht das Bedürfnis „sich zu verweigern“, sondern das Bedürfnis „für sich selbst zu sorgen“.
Das ist ein so wichtiges Bedürfnis, das du ihm erfüllen kannst, in dem du ihm die benötigte Zeit gibst.

Was kannst du tun?

Nimm das „nein“ erst einmal ruhig und gelassen an. Du dringst zu ihm durch (dazu gleich mehr) und du kannst ihm die Zeit geben, zu üben, alleine den Gefühlssturm zu bearbeiten. Sei präsent, aber nicht aufdringlich. Fordere nichts, liebe ihn in diesem Augenblick besonders stark.

 

2. Aspekt: Lösung finden wollen

Ich erlebe immer wieder, dass (beziehungsorientiert erziehende) Eltern bei jedem Problem, jedem Konflikt und jeder schwierigen Situation eine Lösung brauchen und suchen.

Du willst, dass dein Sohn etwas tut und er sagt „Nein“. Du glaubst, dass er sein „Nein“ in ein „ja“ oder zumindest in ein „Na gut“ ändert, wenn du auf ihn eingehst und eine Lösung findest.
Doch wahrscheinlich braucht er das in vielen Situationen gar nicht. Außerdem läufst du Gefahr, dass dein Sohn den Eindruck bekommt, dass er das Gefühl nicht haben darf, weil du jedes Mal versuchst, ihn mit deinen Fragen, Lösungssuchen und Vorschlägen, aus dem Gefühl zu holen.

Was kannst du tun?

Es reicht bestimmt oft, wenn du das Erlebte wiederholst und sein Gefühl spiegelst. Lass ihm Zeit, das Gefühl zu bearbeiten. Sei aufmerksam, was er braucht, sobald er sich ein wenig beruhigt hat. Es kann sehr gut sein, dass damit schon alles gut ist für ihn. Es kann auch sein, dass er tatsächlich eine Lösung braucht. Sobald er das signalisieren kann, ist er auch wieder aufnahmefähig für deine Empathie und kann sich ausdrücken.

Zur Begleitung der Gefühle helfen dir meine Zauberworte, die du dir bei Bestellung meines Leuchtturm-Newsletters heruntergeladen hast.

Dein Sohn braucht das Gefühl, mit seinem Gefühl und der Ablehnung in Ordnung zu sein.
Lass ihm also Zeit und begleite ihn erst im Gefühl, bevor du eine Lösung suchst.

Noch ein paar zusätzliche Gedanken zu den Begrifflichkeiten und der Sprache

„Zugang“

Du bist nun an einem Punkt, bei dem du dir auch klarwerden kannst, was für dich der Begriff „Zugang zu meinem Sohn“ bedeutet.

Bedeutet es immer, dass dein Sohn auf deine Ansprache prompt reagiert und deine Fragen beantwortet? – Also seine Reaktion immer nach außen geht?

Oder kann es auch bedeuten, dass du Zugang zu deinem Sohn hast, wenn er deine Worte und Gesten aufnimmt und in seinem Inneren verarbeitet? Wenn sie ihm helfen, mit seinen Gefühlen und seiner Unsicherheit klarzukommen?

Es wird dir in den nächsten Jahren immer wieder passieren, dass dein Sohn auf deine Worte nicht oder nicht wie erhofft reagiert. Doch du wirst mit deinen Worten immer Eindruck machen auf ihn.

 

„Manipulation“

Dieses Wort ist so negativ besetzt in vielen Köpfen, dass Eltern (besonders beziehungsorientiert erziehende) unbedingt vermeiden wollen zu manipulieren.
Im Ursprung bedeutet das Wort „Handhabung“ und erst im Laufe der Zeit wurde daraus „verdeckte oder offene Beeinflussung eines Menschen“.

Es ist einfach so: Jede Form der Erziehung bedeutet ständige Manipulation.

Denn du willst, dass dein Kind etwas tut – sich umzieht, Zähne putzt, Gesicht wäscht und schließlich ins Bett geht und möglichst bald einschläft. Alles, was du unternimmst, damit dein Kind zum Schluss gewaschen im Bett liegt, ist Manipulation.

Zwei Punkte sind hier ausschlaggebend:

  1. Ob du auf dem Weg dahin auf die Bedürfnisse deines Sohnes eingehst oder nicht.
    Und das tust du. Du manipulierst also zwar, aber eben auf eine zugewandte Art und Weise.
    Erst das Angenommen- und Gesehen-werden macht für deinen Sohn deine elterliche Manipulation akzeptierbar.
  2. Ob du deinen Sohn offen, klar und eindeutig manipulierst, also beeinflusst oder versteckt und hinterhältig. Du sagst klar und offen: „Ich will, dass du jetzt ins Bett gehst.“.

Versteckt und hinterhältig wäre es, wenn du ihm zum Beispiel eine Überraschung versprichst, wenn er gleich und ohne Murren ins Bett geht – und er auch nur dann die Überraschung bekommt. Das ist sehr negative Manipulation.

 

Deine Sprache und deine Wortwahl

Je älter dein Sohn wird, umso wichtiger wird deine klare, persönliche und eindeutige Sprache, um mit ihm Kontakt aufzunehmen.

Das Abblocken der Kontaktaufnahme von Erwachsenen hat bei Kindern auch den Grund, dass die Wortwahl der Erwachsenen ein unangenehmes Gefühl hervorruft.

Manchmal entscheiden tatsächlich Kleinigkeiten. Für dein (2-jähriges) Kind ist es ein sehr großer Unterschied, ob du sagst: „Was brauchst du denn gerade?“ (sehr allgemein und zu groß) oder „Möchtest du jetzt das (eine Möglichkeit) oder eher das (andere Möglichkeit)?“

 

Mein Fazit:

Du bist absolut auf dem richtigen Weg – geh ihn weiter.

Mit deiner Einstellung, deinen Sohn beziehungsorientiert zu begleiten, hast du den Grundstein gelegt für eine tiefe, innige Beziehung zu deinem Sohn und ermöglichst es ihm, mit dir zu wachsen.

Es wird immer wieder Unsicherheiten geben, was richtig ist. Dann denkst du darüber nach und fühlst in dich hinein und wirst wissen, was zu tun ist.
Wenn du magst, bin ich hier gerne an deiner Seite.

An alle meine Leserinnen/Leser:

Hilft dir das in deinem FamilienAlltagsChaos?
Kennst du so eine Situation auch?

Schreib mir in den Kommentaren. Ich freue mich darauf.

Herzliche Grüße

Cornelia Lupprian
Die Elternlotsin
Cornelia Lupprian
Die Elternlotsin

Ich lotse dich durch dein FamilienAlltagsChaos

Weg von Unsicherheit, Überforderung und Frust

Hin zu Gleichwürdigkeit, Klarheit und Gelassenheit

Mein großer Herzenswunsch ist es, Familien zu helfen, wieder Lebensfreude und Leichtigkeit im Alltag zu erleben.
Mein Wissen aus den Aus- und Weiterbildungen wird ergänzt durch viele Jahre Erfahrung als Familienberaterin und Mutter.

2 Kommentare

  1. Vielen Dank für die Schilderung der Familiensituation sowie die Gedanken und Erklärungen dazu! Das Beschriebene kommt mir gut bekannt vor (auch in anderen Altersstufen…) und ich fühle mich verbunden mit den Gedankengängen. Ja, es ist so wichtig – wertungsfrei wahrnehmen und schlichtweg anerkennen mit welchen Emotionen ein Mensch vor uns steht.

    Antworten
    • Hallo Anneliese,
      ich freue mich, dass du dich mit meinen Gedanken verbinden kannst und es dir gefällt und hilft.
      Wir dürfen alle immer mal wieder innehalten und reinspüren, ob wir gleichwürdig mit unseren Kindern und anderen Mitmenschen umgehen.
      Herzliche Grüße
      Cornelia

      Antworten

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